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KIRCHE SAN MICHELE - PALAGNEDRA


Inmitten der Wiesen im Norden des Dorfes Palagnedra erhebt sich die Kirche San Michele. Auf Pergament 1236 erwähnt, wurde der älteste Teil wahrscheinlich zwischen
tausend und tausendzweihundert erbaut und war bis zur Konstruktion des Oratoriums von Borgnone (1365) die einzige Kirche des Tals; zuerst als «unterstützende» Kirche
von derjenigen von San Vittore von Muralto und später als autonome Pfarrei für das ganze Centovalli.

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Die ursprüngliche Kirche, welche 12 Meter lang und 5,60 Meter breit war, wird heute «antiker Chor» genannt und wurde zur Sakristei. Nach einer ersten Erweiterung gegen
Westen zwischen Vierzehn- und Fünfzehnhundert, folgten abermals Konstruktionsarbeiten von 1640 bis 1731, welche der Kirche seine heutige Form gaben.
Das Bauwerk, mit beachtlichen Ausmassen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl jener Zeit, war wahrscheinlich von den in die Toscana emigrierten Palagnedresi so gewollt.
Letztere haben bei ihrer Rückkehr in die Heimat tatsächlich in massgebender Art nicht nur finanziell zu den Erweiterungsarbeiten, sondern auch zur Bereicherung der Kirche mit seltenen Gegenständen und malerischen Dekorationen beigetragen. Aus diesen Wohltätern hat sich besonders Petronio Mazzi (1681-1753) hervorgetan, welcher am
Hof der Aerzte von Florenz als Schatzmeister arbeitete und nach seiner Rückkehr nach Palagnedra sein Haus im Dorfkern konstruieren und zahlreiche religiöse Kunstwerke realisieren liess.

Die Fresken von Antonio da Tradate
Die Wände und die Decke des Chors von San Michele sind vollständig mit Fresken  und Gemälden von seltener Handwerkskunst dekoriert. Die Nachforschungen von Piero Bianconi in den 30er Jahren haben es erlaubt, die Fresken Antonio da Tradate zuzuschreiben (die Inschriften mit der Signatur der Werke haben im Laufe der Zeit unwiderrufliche Schäden erlitten und nach ihrer Reinigung konnte man lediglich einige Fragmente erkennen).
Antonio (ca. 1465 – 1511), aus Tradate stammend, in der Provinz Varese, liess sich Ende fünfzehntes Jahrhundert in Locarno nieder, wo er mit seiner Werkstatt zahlreiche Aufträge in verschiedenen Gebieten ausführte, welche heute zum Kanton Tessin gehören. Seine Arbeiten finden sich in den Kirchen von San Martino in Ronco sopra Ascona, Santa Maria delle Misericordia in Ascona, San Michele in Arosio, San Fedele in Verscio und viele andere mehr. Die von ihm realisierten Fresken im Chor von Palagnedra gelten hinsichtlich Konservierung sowie dem Wert der Farben und der Komposition als seine bedeutendste Arbeit.
Der Wert der Fresken von Antonio da Tradate ist überdies mit dem Eintrag der Kirche
San Michele von Palagnedra im Schweizerischen Inventar der Kulturgüter von nationaler Bedeutung bescheinigt.

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Der Verlauf der Monate
Neben den wertvollen Fresken, welche sich an den Wänden, der Decke und den Bögen des antiken Chors befinden, sind die Darstellungen der Monate auf den unteren Umfassungswänden von besonderer Bedeutung. Auf weissen Grund mit rotem Rahmen
gemalt, nimmt der Zyklus der Monate eine antike ikonografische Tradition auf, welche
ab dem XII Jahrhundert immer umfangreicher in den Kirchen Europas vertreten ist.
In Palagnedra, wie auch in diversen anderen alpinen Kirchen, beschreibt der Zyklus die den Jahreszeiten entsprechenden Tätigkeiten des bäuerlichen Lebens. Die wenigen  Farben die verwendet wurden sowie der mindere Detailreichtum dieser Fresken im Vergleich mit den beherrschenden Malereien des Gewölbes und den oberen Bereichen der Wände, veranschaulichen auch malerisch, wie sich das Heilige in der Höhe und das weltliche in der Tiefe befindet.

Dank dem Empfindungsvermögen und der Entschlossenheit von Don Enrico Isolini, Pfarrer für mehr als dreissig Jahre von Palagnedra, wurde es zwischen 1964 und 1966 möglich, für die Restauration der Fresken zu sorgen, welche sich in einem fortgeschrittenen Zustand des Zerfalls befanden. Diese Arbeit wurde Carlo Mazzi von Tegna anvertraut, welcher mit Kompetenz und Verantwortungsgefühl die Reinigung ausführte und für die Erhaltung sowohl der Struktur wie auch der Malerei besorgt war.
 
Für weitere Informationen verweisen wir auf die Publikationen zum Thema – namentlich auf die Monographie von Renzo Dionigi, Gli affreschi di Antonio da Tradate in San Michele a Palagnedra, 2015 – erhältlich auf dieser Webseite unter SHOP.